Massagen: Vorbeugung und rasche Hilfe bei Schmerzen

Wer kennt das nicht: der Nacken brennt, die Schulterblätter schmerzen, das Kreuz zwickt. Grund dafür sind oft Muskelverspannungen. Aber auch vermeintliche Erkrankungen müssen nicht immer eine organische Ursache haben, sondern können auch auf gekränkte Muskeln zurückzuführen sein. Gut für dich hat den Allgemeinmediziner Dr. Manfred Huemer (Spezialordinationen für Komplementärmedizin in Buchkirchen und Wels) und die gewerbliche Heilmasseurin Anna Haslinger (Fachinstitut in Seewalchen am Attersee) zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch für die aktuelle Ausgabe des Gut für dich-Magazins (zu finden bei den oö. Fachinstituten) gebeten. Weiter unten in diesem Blog-Beitrag gibt’s das ausführliche Doppel-Interview. 

Beispiel aus der Praxis: Massage gegen Blasenentzündung
Barbara L. litt unter einer chronischen Blasenentzündung. Es folgte eine Odyssee von Arzt zu Arzt.  Die Diagnose war immer die gleiche: Blasenentzündung und damit eine Antibiotikatherapie. 
Ein Zufall wollte es, dass ein Facharzt nach seiner Anamnese Fitnesstraining und Massagen verordnete. Die komplexen Verspannungen im Lendenwirbelbereich waren die Ursache einer Blasenfunktionsstörung. Der Verspannungsschmerz war in diesem Fall der gleiche, wie der der Blasenentzündung. Nach den ersten Trainings und Massagen zeigte sich der Erfolg, und seither ist Barbara L. beschwerdefrei. 
Man sieht: Verspannungen können verschiedenste Ursachen haben und damit unterschiedliche Symptome auslösen. Aber nur der Fachexperte erkennt, welche Behandlung ratsam ist. Daher ist es unumgänglich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Anhaltende Schmerzen beispielsweise sind immer ein Warnsignal. Durch das fundiertes Fachwissen erkennen die Experten in den oö. Fachinstituten für Massage ernstzunehmende Symptome sofort und ziehen bei Bedarf einen Mediziner hinzu.

Heilmasseurin Anna Haslinger und Allgmeinmediziner Dr. Manfred Huemer im Interview.

Gut für dich: Fast jeder kennt Verspannungen im Rückenbereich. Ist das ein Zeichen der Zeit oder hat es diese schon immer gegeben?
Dr. Huemer: Verspannungen gibt es schon immer. Früher hat man sich beim Jagen, später beim Hausbauen verspannt. Heute passiert das bei langwierigen einseitigen Tätigkeiten, wie beim Arbeiten am Computer oder beim stundenlangen Sitzen am Schreibtisch. Mangelnder Ausgleich und schlechter Schlaf, keine Zeit für Bewegung und der enorme Leistungsdruck – all das führt dazu, dass sich keiner mehr richtig erholen kann. Dann wird vielleicht auch noch ein Schlafmittel eingenommen, das aber vom natürlichen tiefen Schlaf abhält. Das heißt, man kommt in einen Teufelskreis und auf einmal hat man einen Rücken wie ein Schildkrötenpanzer. In 99 Prozent der Fälle ist dies völlig harmlos. Aber es kann durch eine massive Muskelverspannung durchaus auch einmal die Wirbelsäule blockieren oder eine geschädigte Bandscheibe beginnt, große Probleme zu bereiten. Der Arzt betreibt Reparatur, der Masseur sorgt für Linderung, Lockerung und Wohlbefinden.
A. Haslinger: Ich denke, dass heutzutage fast jeder verspannt ist. Manchmal glau-ben meine Kunden gar, dass sie ein Herzproblem hätten. Die Ursache vieler Be-schwerden ist aber bei mehr als 90 Prozent tatsächlich ein verspannter Rücken. Die Betroffenen können nicht mehr gut atmen und klagen über Herzsymptome. Schon nach der ersten Massage zeigt sich oft eine deutliche Besserung. Geschultes Fach-personal erkennt weiterführende Symptome, die auf eine Herzerkrankung hinweisen könnten, und verweist an einen Arzt. Wer Verspannungen missachtet, muss mit vielen Begleiterscheinungen rechnen. Der Muskel quetscht den Nerv, in weiterer Folge kommt es zu Funktionsstörungen. Das ist ein komplexes Thema und der Ursprung ist zumeist eine banale Verspannung. Aber auch psychischer und emotionaler Stress führt zu Muskelblockaden. Massagen sorgen für eine rasche Linderung der Beschwerden und tragen zur Entspannung bei.

Gut für dich: Verspannungen können auch Kopfschmerzen auslösen, wie schließt man darauf, dass eine Verspannung hinter dem Kopfschmerz steckt? Wann hilft Massage und wann nicht?
A. Haslinger: Ich habe einen Kunden, der schon jahrelang zu mir kommt und erst nach etwa fünf Jahren über seine Kopfschmerzen berichtete. Es kam ihm nicht in den Sinn, dass Massagen in diesem Fall helfen könnten. Bei migräneartigen Anfällen greife ich gern auf die Akupunktmassage und die Fußreflexzonenmassage zurück. Ich konnte dank dieser Techniken die Beschwerden dieses Klienten lindern. Bei der echten Migräne kann ich im Zusammenspiel mit der durch einen Arzt verordneten Medikation das Leiden positiv beeinflussen.
Dr. Huemer: Bei den muskulär bedingten Kopfschmerzen ist man beim Masseur bestens aufgehoben. Mit gezielten Behandlungen kann der Experte den Schmerz unmittelbar positiv beeinflussen oder sogar lösen. Jede Art von unklarem Kopf-schmerz muss aber vom Arzt abgeklärt werden. Die echte Migräne (Anm. d. Red.: die durch einen Arzt diagnostiziert ist) können Masseure und Masseurinnen bei-spielsweise mit einer guten Fußreflexzonenmassage positiv mitbeeinflussen, was zu einer Verbesserung des Schmerzzustandes führt. Zumeist ist jedoch zusätzlich eine ärztliche Therapie nötig.

Gut für dich: Neben Muskelverspannungen werden auch Gelenksbe-schwerden immer mehr. Was ist der Grund? Was gilt es zu beachten?
Dr. Huemer: Die gleichen Gründe, die zu Verspannungen führen, gelten auch für immer häufiger werdende Gelenksbeschwerden. Menschen sind heutzutage durchschnittlich auch noch übergewichtiger als früher. Leider kommt weiters dazu, dass wir uns weniger bewegen. Jeder Schritt wäre gut für jedes Gelenk. Der Knorpel wäre besser ernährt. Aber durch das „Nichtbewegen“ entstehen Abnützungen und Steifheit, dazu auch Unbeweglichkeit. Ratsam für die "Schreibtischtäter" wäre eine Bewusstseinsbildung durch den Experten. Damit soll Eigenverantwortung geweckt werden. Körpergefühl und Gesundheitsbewusstsein sollen dadurch hervorgekehrt werden. Der Input muss aber vom Klienten selber kommen, ich als Arzt kann ihn unterstützen. Fakt ist: Menschen die an Bewegungsarmut leiden, werden auch bald an Ideenlosigkeit leiden. Deshalb ist eine Bewusstseinsbildung meiner Meinung nach ganz entscheidend.
A. Haslinger: Die betroffenen Hauptgelenksgruppen bei meinen Kunden sind Schulter, Knie und Hüfte. Das sind die drei Hauptgruppen. Die letzten beiden werden vor allem nach Operationen behandelt. Ich empfehle gerne eine Meridi-anbehandlung, um die Selbstheilungskräfte anzukurbeln.

Gut für dich: Wenn es jetzt an einer Körperstelle, nehmen wir an im Nacken oder im Rücken zwickt. Kann ich selbst mit meiner Diagnose Muskelverspannung eigenverantwortlich einen Masseur konsultieren oder soll ich zum Arzt?
A. Haslinger: Je nachdem. Wenn es sich um banale Verspannungen handelt und der Klient sein Leiden kennt, dann kann er auch in erster Linie den Masseur aufsu-chen. Ich erstelle zuallererst eine Anamnese und wenn ich dem Kunden helfen kann, helfe ich. Wenn jedoch der Schmerz akut ist und es beim Klienten zu Bewegungsbeeinträchtigungen kommt, dann würde ich empfehlen, den Arzt zu konsultieren. An und für sich kann man aber mit der passenden Massage schon sehr viel Positives bewirken. 
Dr. Huemer: Entscheidend ist, dass beide Richtungen möglich sind. Viele Menschen suchen bei Schmerzen spontan Masseure auf. Nun ist wichtig, dass diese eine hohe Fachkenntnis vorweisen können. Sie sollten die Warnsymptome in der Theorie kennen und in der Praxis feststellen können. Umgekehrt sollte der Arzt den Patienten, der Massagen benötigt, auf diese Möglichkeit hinweisen. Ein Miteinander zwischen Masseuren und Ärzten ist das Um und Auf.

Gut für dich: Apropos Miteinander – wie kann man sich diese Zusam-menarbeit zwischen den beiden Berufen vorstellen? Was sind Ihre Erfahrungswerte?
A. Haslinger: Wenn man den Arzt kennt, ist das immer angenehmer. Im Grunde handhabe ich es so, dass ich meine Kunden bitte, mich beim Arzt vorzuschlagen, wenn die Behandlung nach ihrer Zufriedenheit abläuft. So bin ich kein Bittsteller. Ich bemerke auch, dass die Ärzte immer aufgeschlossener werden. Das war vor 20 Jahren noch nicht so. Die Einstellung der Ärzte hat sich grundlegend geändert. Insofern, dass sie den MasseurInnen Qualität zusprechen. Leider gibt es keine direkte Zusammenarbeit mit Feedback, was wünschenswert wäre. Das wäre für beide Berufsgruppen und natürlich für die Kunden ein Gewinn. Aber das wäre auch mit einem Mehraufwand und mehr Zeit verbunden. Offizielle Zusammenschlüsse gibt es leider nicht. Aber das wäre anzudenken. 
Dr. Huemer: Ich überweise entweder an niedergelassene MasseurInnen oder an ein Institut. Das sind in der Regel ausgezeichnet ausgebildete Therapeuten. In einem Physikalischen Fachinstitut erfolgen Krankenbehandlung. Wenn es um den Wohlfühlfaktor geht, habe ich bei gewerblichen MasseurInnen die ganze Bandbreite. Bezüglich Zusammenarbeit glaub ich, dass der Austausch auch von beiden Seiten immer mehr stattfindet. Ich habe immer schon Wert gelegt auf sehr gute Beziehungen mit TherapeutInnen und MasseureInnen. Das ist für mich das Um und Auf. Deshalb sollte jeder eine fundierte Ausbildung und Qualifikation aufweisen. Fortbildungskurse für MasseurInnen, die zum Beispiel im Wifi OÖ angeboten werden, sind die Grundlage für medizinische Therapeuten, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Dann steht dem gegenseitigen Vertrauen und einer erfolgreichen Zusammenarbeit nichts im Weg. Es sollte auf keinen Fall ein Konkurrenzverhältnis zwischen MasseurInnen und ArztInnen entstehen. Wissen teilen zum Vorteil für den Patienten, so lautet die Devise. Auch der Patient fühlt sich durch die Zusammenarbeit besser aufgehoben und  verstanden.

Gut für dich: Wann ziehen Sie, Frau Haslinger in ihrer Arbeit einen Arzt hinzu? Wann ziehen Sie Herr Dr. Huemer eine Masseurin hinzu? Unter welchen Bedingungen funktioniert das idealerweise? 
A. Haslinger: Warnsignale zu erkennen ist das Um und Auf. Ich mache immer eine ausführliche Anamnese. Fundiertes Fachwissen ist das A und O aller Mas-seurInnen. Thrombosen und Embolien müssen erkannt werden und dürfen kei-nesfalls behandelt werden. 
Dr. Huemer: Die Instrumente des Arztes sind begrenzt. Medikamente, Spritzen, Infusionen und Krankenhauseinweisungen. Um den die Betreuungsqualität zu steigern, greife ich als Arzt gerne auf die Zusammenarbeit mit TherapeutInnen oder MasseurInnen zurück.

Gut für dich: Im digitalen Zeitalter werden viele Menschen dazu verlei-tet, sich über Plattformen im Internet Selbstdiagnosen zu erstellen. Ist Dr. Google die bessere Alternative?
Dr. Huemer: Von Internetdiagnosen möchte ich abraten. Ich habe selbst interesse-halber einige Male im Internet nachgeschaut und festgestellt, dass dort ein zu um-fangreiches und daher verwirrendes Ergebnis herauskommt. Das heißt, es kommt eine Liste an Symptomen zum Vorschein, die der Betroffene nicht richtig gewichten kann. Und das „Ergebnis“, also die Diagnose, geht in die falsche Richtung. Google-Diagnosen behindern die Arbeit der Ärzte und Masseure ungemein, weil dem Patienten das fundierte Fachwissen für eine konkrete Diagnose fehlt und es daher zur Eigengefährdung kommen kann.
A. Haslinger: Wir Masseure haben grundsätzlich nicht so ein großes Problem damit. Ich glaube aber auch, dass Internetdiagnosen eher eine Behinderung für Arztdiagnosen darstellen. Für den Laien ist es oft schwierig, den komplexen Zusammenhang zu erkennen. Hier gilt es, unser fundiertes Wissen einzusetzen und gemeinsam mit dem Kunden ein individuelles Behandlungskonzept zu erarbeiten.

Gut für dich: Letzte Frage. Vorsorge ist besser als Nachsorge. Was raten Sie unseren LeserInnen zum Thema Prophylaxe? 
Dr. Huemer: Prophylaxe ist meiner Meinung nach der bessere Weg. Ich muss keine Schmerzen haben, denn ich kann sie durch rechtzeitige Vorbeugung vermeiden. Genauso wie ich mich gesund ernähre, weil ich nicht krank werden will. Ich soll mir in meinem Leben regelmäßig etwas Gutes tun. Dieses Bewusstsein wäre erstrebenswert. Mit dem Auto warten wir auch nicht, bis es nicht mehr funktioniert, sondern fahren regelmäßig zum Service.
A. Haslinger: Wer es zeitlich und finanziell schafft, sollte regelmäßig zur Massage gehen. Ratsam wäre dies zumindest einmal im Monat, wenn kein akutes Problem vorliegt. Ich empfehle außerdem, offen zu sein für neue Anwendungen, denn die Angebotspalette ist vielfältig. Jeder Mensch spricht anders auf die verschiedenen Behandlungen an. Wenn eine Indikation vorliegt, dann sollte auch der Experte unterschiedliche Behandlungen vorschlagen. Und es gibt prinzipiell kein Zuviel an Massage. Man könnte jeden Tag eine genießen.

Für alle weiteren Fragen oder eine individuelle Beratung zum Thema Massage stehen Ihnen die ExpertInnen der oö. Fachinstitute jederzeit gerne zur Verfügung.

Sie haben noch Anregungen? Die Blogredaktion der Innung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure der WKOÖ freut sich über jede Rückmeldung unter: gewerbe4@wkooe.at

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